Erdkrümmung und Refraktion bestimmen neben der Entfernung und der Höhendifferenz, auch bei Aufnahmen im Gebirge und erst recht bei extremen Weitsichtaufnahmen, wie hoch bzw. in welchem Verhältnis zueinander die Berge im Bild wiedergegeben werden.
Der wiedergegebene Bildausschnitt zeigt eine extreme Weitsicht, die sich mir an einem Tag nach einem heftigen Wettersturz vom Gipfel des 3056 m hohen Piz Nair im Oberengadin in Richtung WSW darbot und die ich zusätzlich zu den Aufnahmen für das Panorama #488 mit einem 200 mm-Tele an einer EOS 300 D mit Cropfaktor von 1,6 gemacht habe.
In einer Entfernung von über 150 km sind hier einige der markantesten Gipfel der Walliser Alpen zu sehen. Das sind links im Bild die Monte-Rosa-Gipfel mit der 4634 m hohen Dufourspitze und etwas links von der Bildmitte das 4164 m hohe Zermatter Breithorn, das sich in der hier weitesten Entfernung von 169 km befindet. In der rechten Bildhälfte sind in 155 km Entfernung Strahlhorn (4190 m), Rimpfischhorn (4199 m) und Allalinhorn (4027 m) zu sehen. Obwohl ich die Aufnahme ohne Stativ und ohne Spiegelvorauslösung gemacht habe, ist sie doch einigermaßen scharf geworden und die typischen Formen der fernen Gipfel werden noch mit einem erstaunlichen Detailreichtum wiedergegeben, was aber auch einer intensiven Bildbearbeitung zu verdanken ist.
Die sich dunkler abzeichnenden Berge in der Bildmitte sind demgegenüber "nur" 42 km entfernt. Es sind die zur Ceneri-Gruppe gehörenden Piz Pombi (2967 m), Pizzo Corbet (3025 m) und Pizzo Quadro (3015 m). Links im Vordergrund, unter den hellen Monte-Rosa-Gipfeln ist der dunkle Grat des Tscheichhorns (3019 m), der nur 23 km entfernt ist. Nach links steigt ein schneefleckenübersäter Bergrücken zum Piz Surparé (3078 m) an, der 15 km entfernt ist.
Das Besondere an der Aufnahme ist, daß die beiden 3000er genau so hoch wie die beiden 4000er erscheinen. Das liegt an der geringeren Entfernung der 3000er und der damit verbundenen kleineren Verringerung ihrer Höhe durch die Erdkrümmung. Infolge der Erdkrümmung "verschwinden" ja die Berge hinter dem "Horizont", und zwar um so mehr, je weiter die Entfernung ist. Bei einem 40 km entfernten Berg sind das 126 m seiner Höhe und bei einem 155 km entfernten ergeben sich schon stolze 1885 m. Zusätzlich zur Erdkrümmung hat aber noch die Refraktion der Lichtstrahlen Einfluß auf die sichtbare Höhe der Berge. Refraktion heißt, die Lichtstrahlen werden an den höheren Luftschichten gebrochen und damit etwas in Richtung der Erdkrümmung abgelenkt. Die Refraktion der Lichtstrahlen führt bei guten Weitsicht-Wetter dazu, daß die Verringerung der Höhen durch die Erdkrümmung dann um ca. 13 % kleiner wird. Berücksichtigt man beide Einflüsse, dann beträgt die Höhen-Verringerung in 40 km Entfernung 110 m und in 155 km 1640 m.
(Text überarbeitet am 28.5., 21.6., 12.12.2007, 19.4.2015)
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Kommentare
Gruß Wolfgang
Dieses Bild hier mit seiner Berge-Konstellation bestätigt aber diesen Wert sehr gut. Wenn ich 10% oder 16% nehme, dann ist die Übereinstimmung nicht so gut. Was nun die Lufttemperatur betrifft: Es war zwar Anfang August, aber infolge eines Wettersturzes waren auf dem Piz Nair nur ca. 5°C (im Schatten?). Welche Temperatur weiter weg herrschte, kann ich nur vermuten - aber laut einer der wissenschaftllichen Untersuchungen ist die Temperatur in der Nähe des Beobachtungspunktes von größerem Einfluß auf den Verlauf der Lichtstrahlen als die der Gebiete, die weiter durchlaufen werden. Wir können aber mit unseren eigenen Mitteln versuchen, weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Und zwar mithilfe Deines phantastischen Panoramas, das Du im Dezember 2006 auf dem Flüela-Schwarzhorn gemacht hast - in der Hoffnung, daß es da wesentlich kälter als damals im August 2005 auf dem Piz Nair war.
Einen abweichenden Einfluss dieser Wetterlage auf den Refraktionskoeffizienten konnte ich also mit dem vorhandenen Bildmaterial und im Rahmen der Genauigkeit des AdS nicht feststellen.
Gruß, Thomas
Sei herzlich gegrüßt von Heinz
"Das Meer habe ich von der Höhe des Montblanc nicht gesehen; da mich aber viele Leute gefragt haben, ob ich es gesehen hätte, so wurde ich neugierig darauf zu untersuchen, ob es möglich ist. Da der Montblanc die Hoehe von 2450 Klafter hat, so muss sein Gipfel, ohne sich auf die Stralenbrechung einzulassen, in einer Ferne von 126 600 Klaftern oder von 63 kleinen französischen Meilen sichtbar seyn. Die Stralenbrechung vergroessert diese Entfernung auf ungefaehr 5 Meilen, und bringt sie also auf 68 Meilen. Das Ufer des genuesischen Meerbusens aber ist da, wo sich das Meer dem Montblanc am meisten nähert, nur 112 000 Klafter von ihm entfernt. Man muesste also nicht allein das Ufer des Meeres sehen koennen, sondern noch bis zwölf Meilen weiter, wenn zwischen dem Montblanc und dem Meere nichts als Ebene wäre, und wenn, welches gar nicht wahrscheinlich ist, das Auge noch auf einer Weite von 56 Meilen Wasser und Land von einander unterscheiden könnte. Da aber der Meerbusen ringsum mit Gebirgen besezt ist, so glaub' ich behaupten zu können, dass es unmöglich ist, von daher das Meer zu entdekken. Die Berge aber, die daran stossen, kann man gewiss sehen: denn ich habe auf der Höhe des Berges Caume, der zwey Meilen nördlich von Toulon liegt, den Montblanc zu erkennen geglaubt. Es ist aber dieser Berg, nach Beobachtungen mit dem Barometer, wenigstens 400 Klafter über der Meeresfläche erhoben." -
Da die alten Längenmaße ja nicht so ohne weiteres geläufig sind, möchte ich diese übersetzen: Wenn 1 Klafter gleich 1,97 m sind, dann wären 2450 Klafter = 4826 m, 126 600 Klafter = 249 km, 112 000 Klafter = 212 km. Wenn 1 kleine französiche Meile 3959 m sind, dann waeren 63 kleine französiche Meilen 252 km und 68 Meilen 269 km sowie 56 Meilen 222 km. Die nicht genaue Uebereinstimmung der berechneten Werte ruehrt daher, dass die Umrechnungen nicht konsistent sind. Erstaunlich ist die Uebereinstimmung der angegebenen Werte mit denen, die man heutzutage ermittelt: Bei einer Hoehe des Mont Blanc von 4808 m ue.d.M. ergibt sich infolge der Erdkruemmung ein Horizontradius von 247 km. Wenn man die Refraktion mit ca. 8 % ansetzt, ergibt sich ein Horizontradius vn 267 km. Die kürzeste Entfernung zum Golf von Genua ist ca. 207 km, bei Savona. Der Mont Caume ist 801 m hoch. Er ist allerdings 288 km vom Mont Blanc entfernt, aber sein eigener Sichthorizontradius von 101 km ueberlagert sich ja mit dem des Mont Blanc.
Danke Jörg
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