Nach unserer kräftezehrenden Tour auf das Aletschhorn war es keine Frage, dass anschließend ein Ruhetag auf der Oberaletschütte oder gar der gemütliche Abstieg zur Belalp folgen würde. Insgeheim hatten wir jedoch auch mit dem Gedanken gespielt uns das Nesthorn etwas näher anzuschauen. Es ist wahrlich ein Juwel wie es sich als perfekte Pyramide aus Fels und Eis 1400m über dem Oberaletschgletscher erhebt.
Da noch zwei außerordentlich schöne und stabile Sommertage angekündigt wurden, beschlossen wir also an unserem Ruhetag nach ausführlichem Routenstudium mit der Hüttenwirtin den Zustieg zum Nordostsporn des Nesthorn zu erkunden (der alte Normalweg über den Beichgletscher ist im Bereich des großen Eisbruchs nicht mehr begehbar). Im Unterschied zum Aletschhorn ist der blockübersähte Gletscher Richtung Nesthorn nicht mit Stangen und Reflektoren markiert, wird die Route doch nur wenige Male im Jahr überhaupt versucht. Daher bauten wir uns eine Reihe von Steinmännchen und versuchten die optimale Linie hinüber zum Nesthorn bestmöglich einzuprägen. Nicht im Ernst dachte ich jedoch daran, dass diese große Besteigung am Folgetag tatsächlich gelingen würde – ein einziger Verhauer in der Nacht und wir könnten getrost zum Talabstieg übergehen..
Diese Stimmung hatte ich auch noch als wir um 3Uhr nachts mit vollem Gepäck (wegen Abstieg ins Baltschieder) die Hütte verließen. In der sternklaren Nacht fanden wir jedoch alle Steinmännchen wieder und gelangten in bald einer Stunde hinüber zum Gletscherschliff, der zum oberen Gletscher hinaufführt. Zu meiner Überraschung entdeckten wir auf Anhieb den Einstieg in die schräge mit Schutt bedeckte Rinne, die den einzigen Schwachpunkt in den steilen Gletscherschliffplatten darstellt und wohl nur nachts gut begehbar ist, wenn kaum Wasser von oben kommt. Im Morgengrauen erreichten wir so den oberen Gletscher, der uns an seinem oberen Ende wiederum über einen heiklen Bergschrund in extrem ekelhaftes, brüchiges Gelände unter dem Nordostgrat führte. Mit einem kleinen Verhauer fanden wir dort jedoch auch Dank einiger alter Schlingen den Weg hinauf zum Grat, der durch angenehme Blockkletterei die einzige entspannte Passage im knapp zehnstündigen Aufstieg war. Bald schon geht der Grat nämlich in die blanke und bis zu 50° steile Eisflanke über… also Augen zu und durch: diese 300hm die wir fast durchgehend mit Eisschrauben sichern mussten, waren wirklich fordernd. Zur Kür durften wir 20 Meter unter dem Gipfelausstieg noch einmal einen aufgeweichten Bergschrund durchwühlen, bis wir zur Mittagsstunde endlich das Gipfelkreuz erreichten.
Bis zu den letzten Metern verlangte uns das Nesthorn alles ab und war doch bislang einer meiner schwierigsten Alpenberge – umso wertvoller macht es zugleich unseren Gipfelerfolg und natürlich mein Panorama ;-) ;-) sogar die Quellwolken waren noch überschaubar!
Bekanntlich ist der Gipfel aber erst der halbe Weg. Bis wir abends die Baltschiederklause erreichten, lagen nochmal ein schmaler Firngrat, blankes Eis, Abseilen am Gredetschjoch, der Gredetschgletscher, Abseilen an der Baltschiederlicka und dann die schier endlose Querung des Baltschiedergletschers vor uns.
Eine große und wirklich beeindruckende Tour haben wir da bewältigt: einmal mehr zeigt sich, dass man auch die übermächtigsten Herausforderungen mit dem ersten Schritt beginnt und so Stück für Stück jedes konkrete Hindernis überwinden kann – solange die Rahmenbedingungen stimmen..
Sony RX100 III mit 13mm (35mm)
F4, 1/400 sek.
Jochen App, Sebastian Becher, Müller Björn, Michael Bodenstedt, Jörg Braukmann, Hans-Jörg Bäuerle, Günter Diez, Hans Diter, Johannes Ha, Fredy Haubenschmid, Jochen Haude, Leonhard Huber, Heinz Höra, Matthias Knapp, Martin Kraus, Werner Maurer, Niels Müller-Warmuth, Uta Philipp, Danko Rihter, Bruno Schlenker, Björn Sothmann, Jens Vischer, Benjamin Vogel, Alexander Von Mackensen
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Kommentare
VG, Danko.
An so eine brüchige Rinne zum Gratbeginn ohne Zwischensicherung denke ich auch heute noch mit Schaudern und das nach fast 46 Jahren. Manches vergisst man nie.
Lg
Du schreibst, dass ihr vom Gredetschjoch abgeseilt habt - weil´s komfortabler war oder käme man da auch ohne Seil rauf und runter? Im hikr-Bericht wird ja erwähnt, dass mittlerweile Eisenleitern installiert wurden. Für den Firngrat wäre sicherlich der Frühsommer ohne Blankeis besser als Ende August. Mal schauen, vielleicht klappt´s ja 2021...
Herzliche Grüße
Hans-Jörg
Der Zeitpunkt für die Durchführung allerdings zu spät gewählt. Gute Verhältnisse wohl nur Anfang der Saison, dann brauchts auch keine Eisschrauben im oberen Bereich und man ist dann auch wesentlich schneller bzw. sicherer unterwegs. LG. Bruno.
@Bruno: ja du hast durchaus nicht unrecht; nach Mitte Juli wird der Nordostsporn kaum noch gemacht..
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